Vier Jahre nachdem 1978 der Öltanker Amoco Cadiz zerbrach und 200.000 Tonnen Schweröl das Meer verseuchten, haben europäische Staaten erstmals eine standardisierte Form der unangekündigten Flaggenstaatenkontrollen (Port State Controls) eingeführt. Dabei ging es darum, Schiffe auf die Einhaltung internationaler Vorschriften hin zu überprüfen und sie, sowie deren Betreiber, Klassifikationsgesellschaften und Flaggen zu beurteilen. 2010 hatten insgesamt 27 Staaten in Paris das Memorandum of Understanding (Paris MOU) unterschrieben. Heute gibt es weltweit 9 solcher Memoranden über den Globus verteilt. Die Kontrollen sind gefürchtet und trotzdem im Interesse aller Beteiligten.

PSC-Inspectionen haben folgende Ziele, um der Schutz der Maritimen Umwelt und die Sicherheit des Seeverkehrs durchzusetzen, wie z.B.

  • Sicherstellung der Qualifikation und Befähigungsnachweise der Seeleute (Trainings und STCW)
  • Überprüfung aller baulichen und betrieblichen Zerfifikate an Bord auf Gültigkeit
  • Überprüfung des Systems der Instandhaltung und Instandsetzung an Bord (Planned Maintenance System)
  • Schutz der Maritimen Umwelt verbotene Einleitungen von Schadstoffen aller Art (MARPOL: Kontrolle des Öltagebuchs, Mülltagebuch)
  • Verhinderung dass Schiffe zu Vektoren werden, über die Krankheiten, Schädlinge oder artfremde Spezies eingeschleppt werden (Gesundheitstagebuch, Hygienevorschriften nach MLC oder national, IPM, Ballastwasser-Records, Biofouling Record Book)
  • Schutz der Lebens- und Arbeitsbedingungen z.B. der Einhaltung der Maritime Labour Convention
  • Nicht zuletzt: Schutz des Lebens und der Sicherheit der an Bord befindlichen Personen (SOLAS: Rettungsmittel, Brandschutz und –bekämpfung, Arbeitsschutz)
  • Überprüfung des Schutzsystems vor Kriminalität (ISPS: Piraterie, Blinde Passagiere, Schmuggel, Krieg/Terror z.B.)
  • Bewertung des Zustandes des Schiffes durch umfangreiche Begehungen, Stichproben, Tests und Bild-Dokumentation

Grob gesagt, werden die internationalen Konventionen wie SOLAS, Load Line Convention (Int. Freibordübereinkommen), MARPOL, MLC, ISM, ISPS und STCW durchgesetzt und die Einhaltung weiterer nationaler Vorschriften durch Begehungen und anhand der Zertifikate überprüft.

Der Inspektionsreport einer Hafenstaatenkontrolle wirkt dabei wie ein gutachterliches Ranking einer Rating-Agentur. Beurteilt werden sowohl die Organisationen der Schiffe, der Betreiber, aber auch der zugehörigen Klassifikationsgesellschaften und Flaggen. Jährliche öffentliche Berichte zeigen die Auswertungen.

Druckmittel der PSC zur Durchsetzung vorgeschriebener Standards

  • Unmittelbare harte Sanktionen:
    • Festhalten des Schiffes (Detention) bis zur Herstellung einer Korrektur oder über einen bestimmten Zeitraum als Strafe
    • Erteilung eines Einlaufverbots in einen Hafen oder Land: Dies kann Schiffe, alle Schiffe eines Betreibers oder einer Registerflagge sein, die auf einer „Blacklist“ steht
    • Erhöhung der Frequenz von zukünftigen Inspektionen
  • ÖFFENTLICHKEIT: Unter beispielsweise equasis.org können wie an einem öffentlichen Pranger die Ergebnisse einer PSC-Überprüfung eingesehen werden. Potenzielle Charterer, Investoren, Kunden beispielsweise können sich vorab ein Bild über den Zustand eines Schiffes bzw. der Verlässlichkeit seines Betreibers machen
  • Auch gegenüber Klassifikationsgesellschaften und Staaten/Register-Flaggen können Sanktionen erteilt werden, wie das Nichtanerkennen von Zertifikaten oder das Setzen einer Flagge auf die Blacklist mit Einlaufverbot oder mit erhöhten Kontrollen

Generell steht und fällt alles mit einer PSC. Diese quasi-polizeilichen Kontrollen können ganz einfach gesagt das Aus für den Betrieb eines Schiffes bedeuten oder zumindest den Verlust eines guten Rankings. So gefürchtet diese Kontrollen sind, so sinnvoll sind sie aber auch, da es aktuell kein anderes Instrumentarium gibt, die Schiffssicherheit besser und nachhaltiger durchzusetzen. Natürlich bedeuten Aufzeichnungen (Records) und Beweise (Evidences) in Form von Checklisten und Planned Maintenance Systems (PMS) mehr Arbeit. Aber nur so lässt sich eindeutig bei einer PSC nachweisen, wann, wo, was gemacht wurde, um alle Regularien einzuhalten. Inzwischen ist die Rede von „Wer schreibt, der bleibt“. Seemannschaft alleine reicht nicht mehr aus. Die Dokumentation muss stimmen.

 

Sonderfall US-Coast Guard (USCG) und Environmental Protection Agency (EPA) in den Staaten

In den USA und im Speziellen in Kalifornien werden PSC, auch offiziell als PSC, ohne MOU mit anderen Staaten und häufig wesentlich strenger praktiziert. Hier kommt zudem das nationale Regelwerk CFR (Code of Federal Regulations) hinzu.

 

Concentrated Inspection Campaigns (CIC)

Da Hafenstaatenkontrollen unmöglich alle Bereiche des Schiffsbetriebs inspizieren können, werden häufig viele Stichproben gemacht. Bei gesetzlichen Neuerungen, oder wenn festgestellt wurde, dass ein bestimmter Standard statistisch häufig nicht gehalten werden kann, dann starten die einzelnen PSC-Organisationen sogenannte Konzentrierte Inspektionskampagnen. Ein bestimmtes Thema wird über eine festgesetzte Zeit auf allen zu inspizierenden Schiffen tiefgründiger untersucht und befragt. In der Regel gibt es dazu öffentliche Erfahrungsberichte oder sogar Ankündigungen der einzelnen Organisationen.

 

Bei gründlichen PSC-Inspektionen werden erfahrungsgemäß besonders häufig geprüft

  • Maximalarbeitszeiten- und Mindestruhezeiten der Crew nach MLC
  • Ballastwasser-Records
  • Öltagebuch, Maschinentagebuch, Mülltagebuch
  • Entöler und ppm-Alarm
  • Drucktest der Feuerlöschpumpe(n)
  • Wasserdichte und Wetterdichte Verschlüsse (Schotten, Klappen, Lüfter, Türen, …)
  • Nachweise für Crew-Trainings
  • Schiffszertifikate und Befähigungsnachweise der Crew generell
  • ISPS: Letzter Stowaway-Search und Zugangskontrolle an der Gangway

 

PSC-Offiziere sind darauf geschult, bei „Verdacht“ detailliertere Kontrollen durchzuführen. Um solche Verdachtsmomente nicht aufkommen zu lassen, gilt u.a.

  • Der „Erste Eindruck“ muss gut sein:
    • Saubere Gangway und Eingangsbereich, freundlicher aber kontrollierter Einlass mit Prüfung der ID-Karte(n) und Meldung an den wachhabenden Offizier, Begleitung
    • Gutes Englisch / Kommunikation
    • Repräsentative, souveräne und vorbereitete Crew
    • Gastfreundschaft (Platz und Getränk im Konferenzraum anbieten)
  • Zertifikate, Daten und Aufzeichnungen stets griffbereit
  • Anklingen lassen, dass tatsächlich verstanden wurde, dass eine PSC im Eigeninteresse der Seeleute stattfindet
  • Keinen Zeitdruck erzeugen, aber zügig zuarbeiten
  • Lernbereitschaft und Aktion zeigen, wenn Unkonformitäten gefunden werden sollten

 

Bei „ungerechtfertigten“ Deficiencies

Diskutieren zum Zeitpunkt und vor Ort bringt in der Regel nichts mehr, wenn zu erkennen ist, dass im speziellen Thema die Bereitschaft dazu nicht da ist. Möchte ein Inspektor unbedingt etwas finden, dann wird er es höchstwahrscheinlich. Man kann in Erwägung ziehen, über die Reederei eine PSC-Inspektion in Zweifel zu ziehen oder sogar vermeintlich gefundene Regelverstöße des Schiffes so aufzuklären, dass sie aus den Berichten wieder gelöscht werden. Dazu gibt es formelle Wege bei jeder Organisation.

 

Port State Control (PSC) – Die Ultima Ratio in der Seefahrt

Unterzeichnende Staaten (siehe Grafik oben, Stand 2019):

 

 

 

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